
Haste Töne!?'
- audiobiografische Suite in acht Sätzen -
Text, Layout, Bildauswahl: H.D. 2022
34 Seiten, gedruckt bei Cewe
Rezitativ
Bei uns wurde gesungen und mit Instrumenten musiziert, davon zeugt ein verloren gegangenes Foto aus dem Jahr 1935, auf dem zwei Frauenpaare Musik machen: Gertrud Maschke (später meine Klavierlehrerin) am Spinett, ihre Freundin Agnes Pietermann mit Geige, Martha Gädicke (noch nicht meine Mutter) mit Laute und Käte Gersdorf, ihre Freundin, mit Blockflöte.
Heute ein Stapel Noten für Barock-Trio, zwischendrin eine benutzte und zerfledderte Partitur, die Kunst der Fuge. Sie gehört zu den wenigen Stücken, die ich von meinen Eltern geerbt habe. Als meine Mutter mit mir schwanger war, hörte ich bereits die Kunst der Fuge. Kein Wunder, dass mich die Musik von Bach jedes Mal tief erreicht.
Mit der Partitur auf den Knien habe ich während des Studiums etliche Aufführungen der Kunst der Fuge gehört. Seit 60 Jahren schleppe ich das Buch bei jedem Umzug in meine neue Wohnung mit. Sie ist mit mir gealtert. Inzwischen fehlt ihr der Einband, der Rücken ist lädiert, die Seitenränder sind von vielen Fingern durch vieles Umblättern verknittert und vergilbt.
Wer hat eigentlich die Partitur für mein Leben geschrieben? Oder schreibt sich das Leben selbst? Und wer entscheidet über Dur und Moll im Leben und wer gibt den Takt an?
Vorwort
Bevor die Fotos digital wurden und heute auf irgendwelchen Speichermedien ein unsichtbares Dasein fristen, haben wir sie, wenn sie nicht verschenkt wurden, entweder in ein Album geklebt oder in einen Karton geworfen. Die Fotos in diesem Buch haben nicht den Weg in ein Album gefunden, sie gehören zu der letzten Sorte: es sind die aussortierten, die verwackelten oder die unterbelichteten Bilder. Sie wurden, weil sie keine Schön-Wetter-Fotos sind, offenbar von den Fotografen nicht für würdig oder für die Erinnerung nicht wichtig genug befunden. Manche haben einen Farbstich, die meisten von ihnen sind im Laufe der Jahre vergilbt.
Auch die Texte sind Momentaufnahmen, aber sie beschreiben nicht, was auf dem Foto gesehen werden könnte, sondern was vor der Aufnahme oder danach passiert war, was im Rücken des Fotografen oder außerhalb des Bildes geschah. Oder was in den fotografierten Menschen vorging. Die Sammlung der Geschichten zeichnet nicht Schritt für Schritt mein Leben nach, sondern beschränkt sich mosaikartig auf die mehr oder weniger zufällig erhaltenen Bilder.
Die Bilder sind von unterschiedlichen Fotografen aufgenommen, die Fotos mussten teilweise digital nachbearbeitet werden.

"Freundlich aufgenommen"
- alte Fotos neu belichtet -
Bildauswahl, digitale Bildbearbeitung,
Text und Layout: H.D. 2020
Format 30 x 30cm, 74 Seiten, gedruckt bei Cewe
Einbandentwurf unter Verwendung eines eigenen Fotos: Ekliptik 2012

‚Schlüssel zum Glück‘
- ein Märchen -
26 Seiten, Format 21 x 21
Druck bei Cewe
Text (Fassung von 1991/92), Grafik,
digitale Bildbearbeitung und Layout 2021: Hans Döring
26 Seiten, Format 21 x 21, Druck bei Cewe
Fotos aus meinen Wandertagebüchern 2006 bis 2018,
Einbandgestaltung unter Verwendung
eines Fotos aus 2018, Eichsfeld/Thüringen,
‚Die drei Prüfungen‘
- ein Märchen -
Margret und Hans Döring
Dieses Buch ist ein „Reprint“.
Der Text (von Hans Döring) und die Illustrationen (von Margret Döring) entstanden in den Jahren 1992/93.
In den Text flossen biografische und gestalt-therapeutische Erfahrungen ein. Die Aquarelle sind sparsam in der gegenständlichen Darstellung und lassen Spielräume für eigene Interpretationen.
Format 21 x 21, Druck bei Cewe
Illustrationen: Margret Döring
Aquarelle aus 1992, Original-Formate 18 x 24
Titelgestaltung unter Verwendung
einer Foto-Übermalung aus 2021
Text, digitale Bildbearbeitung, Layout: Hans Döring



Layout, Zeichnungen und Foto: H.D., Umschlagfoto: „Nordlicht – Südlicht“ 2011, Zeitaufnahme, Berlin, Canon 1000D
Ein Ort lässt sich beschreiben durch die Angabe seiner Koordinaten auf der Erde oder durch die Entfernung zu anderen Orten: wieviel Kilometer entfernt von A oder wie viel Stunden von B. Das sagt aber noch nichts darüber, wie dort gelebt wird.

Für mich ist unser Garten auch eine Wegmarke in meinem Tagesablauf. Der Garten hatte es längst verdient, dass eine Liebes-erklärung geschrieben wird.
Die Zeichnungen sind meinen Reise- und Wandertagebüchern entnommen.

Es war einmal ein Minnesänger, der zog singend und Harfe spielend von Burg zu Burg, von Burgfräulein zu Burgfräulein und betörte alle mit seiner Stimme und mit seiner Fingerfertigkeit – auf der Harfe. So stromerte er durchs Schwabenländle, von Burg Bechstein nach Burg Bösendorf und sogar bis nach Burg Stein, dem Herrensitz derer vom Steinweg.
Kam Hugo am Fuße einer Burg an, setzte er seine Harfe aufs Knie, ölte seine Stimme mit Gänsewein und hub an und sang gar lustige Moritaten, schaurige Geschichten von Mord und Minne, von List und Liebe, von Tod und Teufel.
Wie er so durch die Lande zog, wurde ihm die Harfe auf dem Rücken schwer und schwerer, da ging er zu Heribert, Heribert war Tischler. Die beiden Mannsbilder beschlossen, einen Kasten um die Harfe zu bauen, so wäre sie vor den Unbilden des Wetters geschützt und ließe sich an dem Haltegriff aus Messing leichter von Ort zu Ort schleppen. So entstand übrigens das Sprichwort: Er hat was auf dem Kasten.
Beim nächsten Besuch auf einer Burg wartete Genoveva – alle Burgfräuleins heißen Genoveva, so wie alle Möwen Emma heißen – schon ungeduldig auf den Moritatensänger, aber es dauert etliche Zeit, bis die Harfe aus dem Kasten gezerrt war und außerdem musste sie nun auch noch gestimmt werden. Wenn ein Lautenspieler 80 Jahre alt geworden ist, dann hat er 60 Jahre lang gestimmt. Da die Harfe bestimmt 10 mal so viel Saiten wie die Laute hat, dauerte es bis in den Abend, da war Genoveva verstimmt. Die Harfe war jetzt gestimmt, aber die Stimmung war im Eimer.
Da ging er wieder zu Heribert, dem Tischler. Der kratzte sich am Kopf und befand, am besten sei es doch, die Harfe im Kasten zu lassen, aber, um sie spielen zu können, mussten jetzt eine Reihe Löcher gebohrt werden, durch die man mit den Fingern die Saiten anzupfen konnte, für jede Saite eine kreisrunde Öffnung, das sah nicht nur gut aus, sondern trug auch wesentlich zur Belüftung und zu einem gleichbleibenden Innenklima bei, sodass auf das zeitaufwändige Stimmen fast ganz verzichtet werden konnte.
Genoveva wartete sehnsüchtig auf ihrem Balkon, als unser Minnesänger mit seinem durchlöcherten Instrument erschien, und die Minne in den höchsten Tönen loben wollte. Dazu kam es aber nicht. Leider hatte nämlich Heribert, der Tischler, versäumt, einen Blick auf Hugos Finger zu werfen. Nach einem Triller zwischen Fis und Gis blieb Hugos Mittelfinger stecken und ließ sich nicht mehr aus dem Loch ziehen, das Konzert musste abgebrochen werden und Hugo erntete höhnische Blicke.
Ich brauche für jedes Loch eine schmale Leiste, damit ich nicht mit den Fingern in das Instrument greifen muss, sagte er zu Heribert. So wurden die Tasten und die Tastatur erfunden, manche sagten dazu auch Claviatur. Fortan hieß sein Instrument Clavier, bis zum Piano war es nur noch ein kleiner Schritt.
Das Instrument war jetzt so schwer, dass Hugo es nur noch mit Müh und Schweiß über Berg und Tal und von einer Burg zur anderen schleppen mochte. Heribert wusste auch diesmal Rat: Der Kasten bekam drei Holzbeine, so massiv wie die von einem Dickhäuter, und – das Rad war ja bereits erfunden – unten drunter Rollen.
Hugo rollte fortan mit dem Kasten über Land. Kam er zu einer seiner Genoveven, klappte er einfach das Instrument auf, setzte sich davor und bediente die Tasten. Genoveva klatschte in die Hände. Wurde sie müde, bat sie: Ach, spiel er mir die Goldberg-Variationen. Das sollte aber erst viele Jahre später beim Grafen Keyserlinck zum geflügelten Wort werden. Und Hugo tat, wie ihm geheißen.
Im Laufe der Jahre und durch den täglich Einsatz wurde der Holzkasten langsam unansehnlich, die Astlöcher stöhnten, die Tasten verfärbten sich, die zahlreich geleerten Weingläser hinterließen Ringe, kurzum da fehlte etwas Farbe.
Heribert, wer sonst, Heribert hatte Farbe, Hugo ließ sein Instrument in der Werkstatt, und als er es wieder abholte, staunte er nicht schlecht, das Instrument glänzte wie neu, aber es war schwarz. Heribert kannte nämlich nur eine Farbe: schwarz, er war Sargtischler. Aber Heribert hatte ganze Arbeit geleistet, nicht nur der Kasten war schwarz, sondern auch die Tasten. Das Cembalo hat deshalb auch heute noch überwiegend schwarze Tasten.
Hugo war es bald leid: die Menschen im Rittersaal unterhielten sich häufig so laut, dass von seiner Musik gar nichts mehr zu hören war, sein Gezirpe konnte sich einfach nicht durchsetzen. Da erfand er aus Not das Pedal für die Lautstärke, und Hugo jubelte: Ein kleiner Tritt für mich, ein großer Schritt für die Menschheit! Rechts für „laut“ und links für „leise“, auf italienisch forte und piano, das Clavier hieß von nun an Fortepiano, im Laufe der Jahre ist davon nur die Abkürzung Piano übrig geblieben. Übrig geblieben ist dann später beim Kraftfahrzeugbau das rechte Pedal für Gas-geben, das linke Pedal für Bremsen und die Abkürzung Auto.
Hugo fand schließlich seine Genoveva und setzte sich zur Ruhe, das Instrument wurde in den Rittersaal gerollt und Hugo erfreute allabendlich mit Virtuosität den Hofstaat. Manch nicht mehr so ganz frisches Edelfräulein seufzte: Ach, man müsste Klavier spielen können. Aber das sollte erst 1941 ein Hit werden.
Und Genoveva rief ein ums andere Mal: Spiel’s noch einmal, Hugo! Und sie lebten glücklich und zufrieden, das jüngste Kind nannten sie Sam.
Wenn heute Musikkenner über Flügel sprechen, ist sicher die Rede von einem Bösendorfer, einem Bechstein oder einem Stainway, aber keiner weiß, dass in Wirklichkeit Hugo und Heribert das Klavier erfunden haben.