Aus dem Vorwort

Das Tagebuch, das hier wiederbelebt wird, hat es nie gegeben. Es beginnt zu einer Zeit, als ich noch gar nicht schreiben konnte. Und als ich schreiben konnte, habe ich alles mögliche andere geschrieben: den ersten Satz auf einer Schiefertafel „Sonne im Hof, Hans im Hof“, Schulaufsätze wie „Mein schönstes Ferienerlebnis“, eigene Examensarbeiten, später Zeugnisköpfe, noch später Gutachten für Staatsexamen. Aber kein Tagebuch!

Der Wunsch, dieses Tagebuch jetzt zu schreiben, entstand, nachdem ich einen Briefwechsel meiner Eltern aus den Jahren 1944 bis 1947 gefunden, mühevoll entziffert und lesbar gemacht hatte. Die vielen Mitteilungen der Eltern über mein Heranwachsen und das meines Bruders verlangten geradezu nach einer eigenen Darstellung.

Ein Tagebuch zu rekonstruieren, das nicht geschrieben wurde, kann sich nur auf Zeitzeugenberichte, auf eigene Erinnerungen oder auf alte Fotos stützen. Und es blieb mir nichts anderes übrig, als vergilbte Erinnerungen in mir neu zu belichten und in den Tiefen des Unbewussten zu graben.

Was mich als Kind und später als Jugendlicher beschäftigt hat, habe ich in anekdotische Kurzgeschichten verpackt. Im Hintergrund der Schilderungen wird bruchstückhaft und schemenhaft ein Lebensbild nachgezeichnet, wie es wohl der Kriegskindergeneration eigen war und das uns bis heute prägt. Die autobiografisch gefärbte Rekonstruktion  bleibt zwangsläufig fragmentarisch, sie umspannt die Jahre von 1944 bis 1961.