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UNSER JAKOBSWEG
An einem Herbstnachmittag 2005 sitzen wir in Berlin-Mahlsdorf im sonnigen Garten und lassen unsere zukünftigen Urlaubspläne spazieren gehen. Wir freuen uns, dass wir bald mehr Zeit für Ferien haben werden und nicht mehr von äußeren terminlichen Vorgaben abhängig sind. Ab August 2006 werden wir beide nicht mehr im Schuldienst und/oder therapeutisch tätig sein. Hans plant für 2007 eine lange Fußwanderung alleine von Italien nach Dänemark über die Alpen und will im Jahr davor schon mal seine Ausdauer und Wanderkraft testen. Margret kann sich vorstellen, mit ihm vier Wochen zu wandern nach guter Vorbereitung und vor allem nach intensivem Training.
So reift allmählich die Idee, zusammen den Jakobsweg zu gehen, bei Hans, dem begeisterten Läufer, der schon seit langem mindestens einmal in der Woche kreuz und quer zu Fuß in Berlin unterwegs ist und bei Margret, die leidenschaftlich gern und ausdauernd im Grünen spazieren geht. Beide halten wir das für eine gute Basis. Wir sind offen für spirituelle Erfahrungen und die Erprobung unserer persönlichen und gemeinsamen Wanderfähigkeiten unter z.T. sicher abenteuerlichen Bedingungen und Herausforderungen. Es wird kein Spaziergang im Grunewald oder am Müggelsee sein.

weiterlesen: Pilgertagebuch Jakobsweg


ICH  BIN DANN MAL UNTERWEGS

- 2.000 Kilometer zu Fuß von Venedig zum Skagerrak
Im Sommer 2007 habe ich mir einen jahrzehntelang gehegten Wunsch erfüllt. Ich wollte einmal in meinem Leben zu Fuß von Italien nordwärts über die Alpen nach Dänemark gehen. Skagen, das Nordkap von Dänemark zwischen Kattegat und Skagerrak gelegen, war nicht das Ziel meiner Wanderung. In Skagen war sie nur zuende. Ebenso wenig war Venedig der Beginn. Die Wanderung hatte längst angefangen, bevor ich sie dort begonnen habe. Im September 2006 bin ich mit meiner Frau Margret 350 km auf dem Jakobsweg in Spanien gelaufen, für mich auch eine Art Testlauf. In sengender Hitze ohne Schatten auf der Hochebene, der Meseta und in der Nebelwaschküche auf dem O Cebreiro habe ich mich auch gefragt: „Warum mache ich das überhaupt?“ Ich bin nicht stehen geblieben, um abzuwarten bis mir die Antwort kommt, sondern bin weiter gelaufen mit der vorläufigen (!) Antwort: „Ich mache es, und ich gehe diesen Weg, weil ich ihn gehen will“.
Ziel der Wanderung von Venedig nach Skagen war für mich, auszuloten, was ich will – und auch was ich kann. Wie viel kann ich, wenn ich es nur wirklich will! Ziel war es, zu erproben, was mir wichtig ist und was nicht.

weiterlesen: 2.000 Kilometer zu Fuß - von Venedig zum Skagerrak


ZU FUSS VON NIZZA NACH KONSTANZ

Vor dem Start  - Ein zweites Mal mache ich mich auf zu einer langen Wanderung, ich brauche keinen Grund fürs Gehen, ich lasse mich gehen. Meine Laufwerke haben mich schon etliche Kilometer durch Europa getragen, auf sie ist Verlass. Wieder gehe ich alleine. Dies wird meine zweite Alpenüberquerung. Der Weg über den Gotthardpass ist einer der historischen Jakobswege. Macht mich der Weg zum Pilger? Ich habe keinen Pilgerausweis, ich trage nicht die Jakobsmuschel am Hut und ich gehe in die falsche Richtung. Ich übernachte nicht in Pilgerherbergen sondern im Zelt. Werde ich zum Pilger, weil ich alleine gehe? Von Savona bis Konstanz folge ich dem europäischen Fernwanderweg E 1

weiterlesen: Von Nizza nach Konstanz




VON KULMBACH NACH ASCHAFFENBURG MAINABWÄRTS

(Das Wanderblog)


​Ab 19. Juni werde ich zum Wasserläufer. Nein, ich laufe nicht über das Wasser, das überlasse ich heiligen Männern. Ich laufe am Wasser, und folge einem Wasserlauf: dem Weißwurschtäquator, links Weißwurscht, rechts Currywurst. Ich beginne in einer Biertrinkergegend (Kulmbach) und folge dem Main bis in die Gegend der Bocksbeutel-Weintrinker. Start ist am Zusammenfluss von Rotem Main und Weißem Main, insbesondere werde ich dort prüfen, ob der Main von dort rosafarben weiterfließt. Auf meine Laufwerke ist Verlass. Obwohl meine Eltern mich immer ermahnt hatten, ich solle mich nicht so gehen lassen, lasse ich mich von Laufwerk A und Laufwerk B über den Treidelpfad mainabwärts tragen, mit Rucksack, Zelt und Isomatte. Die Startlöcher sind gegraben, die Schuhe laufen, wie man sieht, von selbst. Ich muss nur noch im richtigen Moment mit dem richtigen Fuß in den richtigen Schuh steigen. Der Rucksack ist mit zwölf Kilo (inclusive "Proviant") schwer aber nicht zu schwer. Thema "Proviant": Wanderer nehmen gerne gut gegangene Hefesemmeln und manchmal auch abgelaufene Lebensmittel mit, aber NIEMALS abgestandenes Wasser und NIEMALS abgestandenes Bier!


Tag 1
Kulmbach, der Ausgangspunkt für meine Wanderung, ist erreicht und die ersten 6 Kilometer sind auch schon gelaufen. An die zwölf Kilo Rucksack muss ich mich noch gewöhnen!

Tag 2

​Kulmbach - Burghain - Mainleus - Burgkunstadt, gelaufene Kilometer 15,6
Früh um 8:00 ist der Himmel blau, die Temperatur gerade noch richtig. Aber zusehends wird der Himmel bayrisch-weiß-blau. Fernab der Bundesstraße durch die Mainwiesen schnürt mit mir ein Fuchs, aber er verzieht sich. Ein Kuckuck ruft wohl an die hundert mal, Schachbrettfalter spielen mit mir Rösselsprung. Gegen halb 11 wird es heiß, es gibt kaum Schatten, kein kühlender Luftzug.
Radfahrende grüßen mit Moin, mit Hallo, mit Guten Morgen oder grüßen mufflig gar nicht. Einige halten auch an und wir tauschen Wandererlatein aus. Erste Erkenntnis heute: Je höher die Temperatur desto schwerer der Rucksack!? Ich glaube ich muss ihn deutlich erleichtern!

Tag 3

Von Burgkunstadt nach Lichtenfels, über Strössendorf, Hochstadt, Michelau, gelaufene Kilometer heute: 23,2 Heute vergebe ich einen Sonderpunkt für die bisher schönste Strecke: von Strössendorf nach Hochstadt führt der Weg durch Wald, schattig, ruhig, mit Sonnenflecken, rechts unten gluckst der Main. Das Zelt steht am Mainufer auf dem Campingplatz Lichtenfels mit Blick aufs Wasser. Das Wetter hat sich gedreht, am Nachmittag ein Schauer Sprühregen. Es ist etwas weniger warm und zeitweise weht ein kräftiger Wind.

Tag 4

Heute "Wandern unter erschwerten Bedingungen", gelaufen 18,5 km. Die Temperatur ist von gestern bis heute um 20° gefallen, ich kaufe mir bei Lidl ein Kapuzensweatshirt mit einer Fussballer-Aufschrift. Wer von unseren Jungs in Russland trägt eigentlich die Nr. 10? Der Anstieg von Lichtenfels nach 14-Heiligen ist beschwerlich. In der Basilika erst mal Durchatmen und Staunen über so viel fröhlichen Barock. Nach 30 Minuten weiter, aber draußen rauscht ein Regenschauer, also nicht weiter, wieder rein in die Kirche. Ich schließe mich einer Führung an und lasse mir die Baugeschichte erklären. Nach 40 Minuten wage ich es nach draußen, es nieselt nur noch. Also Poncho raus. In Wolfsdorf hört der Regen fast ganz auf, aber beim Anstieg auf den Staffelberg erneut Regengüsse. Oben (immerhin 539 m!) angekommen erst mal in die warme Gipfelhütte, es gibt fränkische Würstchen mit Brot und Senf. Eine Aussicht in die Mainebene ist vernieselt. Der Abstieg über den schmalen Felsenpfad. Nur noch Ausruhen in Staffelstein, aber wenigstens ein Gang "im Vorbeigehen" zu Adam Riese, war aber nicht da. Aber minus mal minus gleich plus gilt immer noch.

Tag 5

Heute 22,3 km voran gekommen, davon 4 km von einem Hiesigen, Wolferl mit genommen worden. Er erklärt mir die Gegend und die Grundstückspreise. Zurückgelegte Strecke von Staffelstein über Döringstadt (!), Altmainsee, Ebing. Hier auf dem Campingplatz werde ich von einer zünftigen Blasmusi empfangen. Das Zelt steht weit weg, aber ich werde von den Klängen in den Schlaf begleitet.

Tag 6

Abend auf der Festwiese, mein Zelt stand wegen der zu erwartenden Blasmusi weit genug weg, liefen wohl an die zwölf kleine Mesut Özils herum, Durchschnittsalter etwa 12 Jahre, nur einer war größer und wesentlich älter! Für den Abend war ich mit meinem Kapuzensweatshirt angemessen gekleidet! - Heute, Sonntag, zurückgelegte Strecke 33,6 km, die letzten 5,6 km bis Bamberg Insel-Camping mit Taxi!!! - Früh um 7:00 los über die "Porzellanstraße" Richtung Hallstadt, war aber asphaltiert. Von Hallstadt dem Radwanderweg folgend, in Bamberg völlig KO, erstmal essen, in einem renomierten, fast schon piekfeinen Lokal, dafür war ich als Wanderer völlig falsch gekleidet, aber ich wurde bedient! Und das Essen überraschend: Gefüllter Spargel! Wie sie das wohl hingekriegt haben!? - Meine rechte Einlegesohle hat einen eigenwilligen Charakter: eigentlich sollte sie still und betreten im Schuh liegen, aber sie wandert! Nach hinten! Sie schiebt sich Schritt für Schritt mehr und mehr an der Ferse hoch aus dem Schuh und "Flupp", ist sie draußen. Je nach Lauftempo auch "Flapp"!? - Hier bleibe ich zwei Tage, volles Programm: Wäsche waschen, und ab damit in den Trockner, in die Stadt Sightseeing. Und Relaxen, Füße hoch legen. Das reicht als volles Programm!

Tag 7

Ein "Ruhetag" in Bamberg. Vom Campingplatz in die Altstadt hinunter schlängelt sich der städtische Bus durch winklige Gassen, als hätte Spitzweg sie gezeichnet. Nach dem Frühstück erst einmal hinauf zu Fuß zum Dom. Aber der ist wegen Bauarbeiten geschlossen. Eine Seitentür ist allerdings offen, damit der Kultourist wenigstens das Hinterteil vom Pferd vom berühmten "Bamberger Reiter" bewundern kann!? Die Geschichte von der irre geleiteten Einlegesohle hat ein unrühmliches Ende gefunden: Nachdem ich sie im Schuh festgenagelt hatte, kroch sie ziehharmonikaförmig an die Hacke! Das reichte, jetzt habe ich sie gegen neue ausgetauscht! Innerorts immerhin auch 14,1 km "rumgelatscht"!

Tag 8

Um 7:13 bringt mich der Bus 218 vom Campingplatz nach Bamberg runter. Mit dem Regio zwei Stationen bis Eltmann. Das Wetter ist fürs Laufen ideal. Von Eltmann Richtung Sand am Main, über den Staustufen-Übergang bei Limbach, der eigentlich unpassierbar ist. Aber einer der Wasserbauingenieure macht sich die Mühe und schließt für mich beide Gatter auf. Ohne ihn hätte ich einen weiten Umweg machen müssen. Ich bin dankbar für den Schlüsseldienst. - In Sand kreuze ich beim Überqueren der Hauptstraße meinen eigenen Weg von 2007 : von links kam ich aus Venedig, nach rechts ging es weiter nach Dänemark. Ab Sand nur noch Wiesenwege (gemähte/ungemähte), Feldwege (geschüttete, geschottert). Der Staustufen-Übergang Knetzgau ist wider Erwarten doch begehbar, selbst der Treppenturm über der Forellenrutsche. Gelaufene Kilometer 20,3 bis Hassfurt.

Tag 9

Vor dem Abmarsch vom Campingplatz Hassfurt noch ein Plausch bei einer Tasse Tee mit einem Radwanderer über Träume und deren Verwirklichung. In der Altstadt noch ein Espresso und los gehts. Die Strecke ist einfach, gut ausgeschildert und überwiegend asphaltiert von Hassfurt Richtung Schweinfurt, meist unmittelbar am Main auf dem Treidelpfad. Das Wetter ist lauffreudig: Sonne von hinten und leichter kühlender Rückenwind. In Höhe von Theres werde ich mit lautem 'Hallo' von Radfahrenden überholt: Maria und Bruno, die beiden, die ich gestern abend erst kennen gelernt hatte, wir freuen uns über das unverabredete zufällige Wiedersehen. Ab Gädheim "zieht" sich der Weg eintönig parallel zur Bahnlinie. In Schonungen finde ich, meine Laufwerke haben Schonung verdient nach 20,4km.

Tag 10

Trotz der beunruhigenden Nachrichten aus P. erst mal weiter gelaufen. Raus aus Schweinfurt, die ersten 1 1/2 Stunden reichlich nervig parallel zu Autobahn oder Bundesstraße. Aber dann ab Garstadt schöner Weg. Irgendwo, irgendwann werde ich von zwei Fahrradfahrenden, Vater und Sohn, Stefan und Yannick, wie ich erfahre, überholt. "Dich haben wir doch gestern schon mal überholt!?" So ergibt ein Wort das andere. Der Vater möchte, dass wir ein Foto machen, vor der Landkarte. Ich wünsche den beiden immer genug Luft im Reifen. Die Sonne scheint, der Rückenwind schiebt, dadurch heute insgesamt 30,4 km geschafft. In Wipfeld längere Pause im Biergarten. Bei Kilometer 25, ich war schon reichlich müde, fragt ein Fahrradler: "Wie schwer ist eigentlich dein Rucksack? Du hast eine solche Leichtigkeit beim Gehen!?" Mir war gar nicht leicht zumute!! Nach meinem Gefühl war ich nur noch gelatscht!? Mit der Fähre über den Main. Um 16:00 bin ich auf dem Campingplatz Ankergrund von Volkach. Als das Zelt gerade aufgebaut ist, fallen die ersten Regentropfen. Mein kleiner Navigationsassistent mit Vornamen Garmin meldet heute: ab Kulmbach sind jetzt 201,54 km gelaufen, rechnerisch die Hälfte!

Tag 11

In der Nacht hatte es wohl noch einmal genieselt, so musste ich das Zelt nass einpacken! In Volkach gehe ich durch die Altstadt und beobachte, wie der Ort aufwacht. Und Beatrix mit dem gelben Fahrrad, die ich gestern getroffen hatte, startet auch gerade. Wir wünschen uns gegenseitig viel Glück und viele angenehme Erlebnisse. Nach Frühstück und einem Einkauf (u.a. ein neues Handtuch) Abmarsch: bei gutem Wetter schaffe ich die 13,8 km zügig, der Rucksack hat wohl immer noch seine 11 bis 12 kilo, aber ich habe mich an das Gewicht gewöhnt. Um die Mittagszeit wird es sehr warm, aber ich bin bereits in Schwarzach auf dem Campingplatz. Am Nachmittag wird es heiß, ich steige um auf "Flüssignahrung", dh. stündlich ein großes Radler. Heute Abend schlafe ich neben dem Zelt.

Tag 12

Lange noch hatte gestern abend der Wind die Klänge einer Brass-swing-band herüber getrieben. Um 7:00 ohne Frühstück Abmarsch vom Campingplatz Schwarzenau. Am Ortsausgang hält zu meinem Glück ein "Fliegender Bäcker", der nicht nur süße Teilchen in der Auslage hat, ich bekomme zwei belegte Brötchen mit auf den Weg. Unfreiwillig - 2 km weiter - wurde ich gesegnet. Die Lerchen sangen hoch in der Luft ihr Lied. Von gegenüber drang - durch Lautsprecher verstärkt, ein Gottesdienst mit Rosenkranz vom Münster in Schwarzach. Das "Ite, missa est!" trug laut über die Wiesen und den Main. Das "Gehet! Ihr seid gesandt" galt ein bisschen auch mir, mindestens das "Gehet"! - Nach 15,5 km war ich in Kitzingen, musste auf das bestellte Zimmer im Gasthof lange warten und legte mich derweil in die Mainwiesen zur Siesta. - Abseits von der quirligen Marktstraße finde ich am Abend in einer ruhigen Seitenstraße ein einfaches Bistro. Ich bestelle mir ein Viertel Frankenwein, Volkacher (!) Müller-Thurgau und genieße den Abend. Die Tageshitze lässt etwas nach. Ich sitze draußen in der Gasse mit Blick auf die Kirche St. Johannes. Aus der Kirche dringen Töne nach draußen: die Orgel wird gestimmt, morgen ist Sonntag. Der freie Blick auf den spätgotischen Seiteneingang ist mir durch vier Mülltonnen verstellt, begleitet rechts von einer gusseisernen Straßenlaterne und links durch ein Verkehrsschild, das mir einige Rätsel aufgibt: ein rundes Gebotsschild mit rotem Rand und auf weißem Grund ein rotes Herz. - Das Geläute und die Schläge der Turmuhr dröhnen in der Gasse.

Tag 13

Ich mag keine Umleitungen, schon gar nicht die für Fußgänger und erst recht nicht die in Ochsenfurt!!! Die Ausschilderung für den Umweg verfolgt im Zickzack das Interesse, dem ankommenden Wanderer die häßlichsten Unorte von Ochsenfurt zu zeigen. Jeder location scout vom Film würde sagen, wir drehen hier den nächsten Horrorstreifen!! Der Weg zwingt mich zu einer einstündigen Verlängerung. Eigentlich beträgt die Entfernung Kitzingen - Ochsenfurt nur 16km, nach Zurücklegen der Umleitungsstrecke bin ich 22,7 km gelaufen! Ja, es gibt einen Grund für die Umleitung: eine Brücke wird gebaut und soll im November 2018 fertig sein. Im Biergarten nach einer Schmalzstulle und zwei Radlern frage ich die Wirtin, wie man als Wanderer auf die andere Seite des Mains kommt. Sie verdreht die Augen als hätte ich von ihr wissen wollen, wann der BER fertig wird. Doch, das geht, sagt sie, es gäbe weiter unterhalb noch eine alte Brücke und, ach ja, eine Fähre gibt es auch noch. Ich folge dem von ihr empfohlenen Mainübergang. Die Puppenstuben-Altstadt von Ochsenfurt entschädigt für 6,7km zusätzlich gelaufene Kilometer. - Das Zelt steht jetzt in Ochsenfurt/Frickenhausen.

Tag 14

Zwei Stationen Regio und 23,1 km sind gelaufen, Würzburg ist erreicht und ich strolche durch die Stadt. Das Wetter ist so schön, alle Menschen scheinen draußen zu sein, die Innenstadt quirlt. Der erste Gang führt mich über die Alte Brücke, die immer wieder schöne Blicke auf die Festung hoch oben auf der andren Seite der Stadt eröffnet. Dann natürlich der Aufstieg über die Tellsteige auf die Burg, oben ein Rundgang durch die Wallanlagen, ein herrlicher Blick auf die Dächer der Stadt, die Türme und den Main, der hier von einer Schleuse gestaut wird. - Das Zelt steht auf dem Campingplatz der Kanufreunde, mit Blick direkt auf das Wasser. Mein Garmin meldet heute insgesamt gelaufene 302,71 km.

Tag 15

Nach dem Frühstück an der Alten Brücke eine Fahrt mit dem Schiff (!) bis Veitshöchheim. Für einen längeren Aufenthalt im Rokokogarten fehlt heute die Muße, die Morgentemperatur lässt bereits ahnen, dass die Temperatur weit über die 30°-Marke klettern wird. Deshalb, solange es noch geht, ein Kurzbesuch bei Putten, Nymphen, Neptuns und Amazonen und weiter auf der linken Mainseite. Zwischen Veitshöchheim und Margetshöchheim gibt es einen Fußgängersteig! Von Veitshöchheim bis Zellingen gelaufene Kilometer inklusive die Strecken Campingplatz - Bäcker - Campingplatz - 22,3 km. Auf dem vorletzten Gang zurück zum Campingplatz werde ich von zwei Radlern angesprochen. Er (fast 80) ist immer noch Geigenbauer und wenn das alles stimmt, was ich höre, ein Fachmann für die Elite der Geigenspieler. Natürlich ist die Musik ein Anknüpfungspunkt für (von seiner Seite) ausufernde Expertisen. Aber es bleibt nicht beim Anfangsthema "Die Dynamikbreite der modernen Geige unter besonderer Berücksichtigung der Anforderung durch die heutige Aufführungspraxis im Konzertsaal". Weitere Themen waren "Die Akustik und der moderne Mensch als Musikrezeptor". "Archaische Verhaltensmuster des modernen Menschen insbesondere bei Benutzung von SmartPhone und Internet". "Der Ursprung des Lebens nach Charles Darwin und die Evolutionstheorie aus heutiger Sicht". "Die DNA des heutigen Menschen und ihr Einfluss auf angeborene/erworbene Impulshandlungen bei Primaten". Wir hätten mit Leichtigkeit weitere Themen für Doktorarbeiten formulieren können!! Also kurz: das Gespräch war interessant und lustig. Es wurden auch Witze erzählt! Zum Beispiel: Wann genau ist der Ursprung menschlichen Lebens? Der evangelische Pfarrer: Mit der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter. Der katholische Moraltheologe: Falsch! Das Leben beginnt bereits mit der Befruchtung! Der Rabbi: Aberr, liebe Freunde, dass Lebben beginnt, wenn Kinderchen sind aus dem Haus! 

Tag 16

Von Zellingen Richtung Karlstadt wunderschöner Wanderweg, der Main bleibt still auf Armlänge bei mir. Zwischen 7:00 und 9:00 ist das Wetter anfangs sehr frisch, dann aber angenehm und ideal zum Laufen. Aber ab 11:00 ist es unerträglich schwül, ich beneide unsere Radfahrenden um den Fahrtenwind. Insgesamt trotz zwei Stationen mit dem Regio inklusive innerorts 21,6 km gelaufen. Das Zelt steht auf der Saaleinsel in Gemünden.

Tag 17

Nach dem Start in Gemünden brauchte ich eine Stunde, um einen fußgängertauglichen Ausweg aus dem Ort Richtung Lohr zu finden. Auch die Hilfestellung durch St. Garmin (nach links) und St. Geocard (geradeaus), durch Einheimische (nach rechts) und Hiesige (zurück) hat die Findung nicht beschleunigt. Gemünden ist sehr schön, vor allem, wenn man vorhat dazubleiben! Für nachfolgende Generationen und Radfahrende der Merkvers:

Ach, Wanderer, tät's du doch finden

einen Ausweg aus Gemünden!

Wegweiser irren und sind so selten.

Die Fähre gibt's erst in Langenprozelten!

Von Hofstetten dann aber wunderschöner, teils schattiger Weg. Ein Foto entstand beim Überschreiten des 50. Breitengrades mit Wandererschatten. Der Fußwanderer wünscht sich bei den herrschenden Temperaturen wenigstens mehr Schatten, den er nicht selbst wirft! Gelaufene Kilometer 21,1 + innerorts 3,7 km, der Ausweg aus Gemünden hat mir sieben zusätzliche Kilometer beschert.

Tag 18

Eineinhalb Tage ruhen die Laufwerke, die Gedanken und die Empfindungen laufen weiter. Auf Burg Rothenfels habe ich in der Jugendherberge ein Einzelzimmer.

Tag 19

Es gibt einen neu geschaffenen Mauerdurchbruch als Zugang für die Fußgänger in die Burg. Während ich mich noch umsehen, werden immer wieder Geigen, Celli und Blasinstrumente vorbei getragen und wer kein Instrument hat, wedelt mindestens mit einem Notenblatt. Aus jedem geöffneten Fenster klingt Musik: Hier singt ein Chor ("die Narziss und die Tulipan"), auf der Wiese spielt ein kleines Gitarrenensemble, dort oben spielt jemand Klavier und irgendwo weiter weg eine Posaune. Alles singt und klingt.

Ich fühle mich um 56 Jahre zurück versetzt. Zwischen Abitur und Studium habe ich hier als Jugendherbergshelfer gearbeitet. So muss es damals auch geklungen haben. Heute ohne Kilometeranrechnung (7,6 km) innerorts treppab und treppauf von der Burg runter in die Stadt. Rothenfels darf sich "kleinste Stadt Bayerns" nennen! Im Ort habe ich als Streckenposten Marita und Josef mit Kraftnahrung erwartet. In einem Biergarten, der gar nicht geöffnet hatte, haben wir eine kurzweilige Stunde verbracht, bevor die beiden wieder auf die Räder stiegen.

Tag 20

Die Burg (Rothenfels) liegt nun sowohl emotional als auch kilometermäßig (15,6 km) und nach Jahren hinter mir. Heute morgen nach Jugendherbergsfrühstück gemeinsam mit 400 Kindern und Jugendlichen raus über den Fußgängerübergang an der Staustufe auf die linke Seite des Mains. Wunderschöner Weg meist im Schatten, ich komme flott voran, blauer Himmel, noch ist es nicht heiß und ich habe wenigstens ab und zu leichten Rückenwind. In Marktheidenfeld ein Miniaturfrühstück bestehend aus Espresso und Wasser auf dem Balkon eines Bistros mit Blick auf die alte Brücke und den Main. Etwas weiter wären schönere Biergärten zum frühstücken gewesen. Lengfurt hat etwas außerhalb einen wunderschönen Campingplatz, zwar nicht unmittelbar am Main, aber man kann ihn von hier oben sehen!

Tag 21

Frühstart in Lengfurt und ein Edekafrühstück im Ort. Anfangs wunderschöner Weg, schattig, kühl und leichtes Laufen. Nach Unterquerung der Autobahn kurze Rast mit Radler und weiter. Zunehmend schattenlos, zu wenig Fahrtwind aber die Laufwerke tun ihre Arbeit, das heißt, ich lasse mich gehen! Nach 24,5 gelaufenen Kilometern und einer Bahnfahrt bin ich jetzt in Miltenberg gelandet. Damit ist die letzte der großen Mainwindungen erreicht und Aschaffenburg taucht als Ende der Wanderung am Horizont auf!

Tag 22

7:30 Nach einem Frühstart ein Frühstück in der Altstadt von Miltenberg. Wieder entdeckt: der Marktplatz mit seinen windschiefen Fachwerkhäusern - und ich bin mir sicher! - diente als Kulisse im "Wirtshaus im Spessart"! Der Himmel hat sich bezogen, plötzlich ist es sehr kalt. Ich hole wieder das Kapuzen-sweatshirt aus dem Rucksack mit der Nummer 10, das ich in den letzten Tagen oder besser Nächten brauchte! Der Weg mainabwärts raus aus Miltenberg schlingert vorbei an einem römischen Kastell und durch das Auenbiotop. Um die Autofahrer nicht zu gefährden, mäandert der Wanderweg entlang der Deutschen Limesstraße und überquert und unterquert mehrfach die B 496. Nach gelaufenen 7,8 Kilometern befinde ich mich immer noch nur 2 km Luftlinie vom Bahnhof Miltenberg entfernt und 40 Meter Luftlinie über mir droht und sprüht ein grauer Himmel. Das befördert die Entscheidung: ich laufe zum Bahnhof und schenke mir den Rest Main! Und fahre wie geplant mit der Bahn nach Aschaffenburg. So endet hier meine Wanderung, sie war reich an Höhepunkten, reich an Begegnungen und reich an Wiederentdeckungen.

Allen die mich digital begleitet haben, durch einen Eintrag im Gästebuch oder einfach durch "Mitwandern" oder Lesen im blog ein herzliches Dankeschön! Allen, die mich vor oder während meiner Wanderung auf irgendeine Weise begleitet, ermutigt oder unterstützt haben ein von Herzen kommendes Dankeschön! Meine Schritte liefen von selbst aber ich fühlte mich auch getragen, weil ich wusste, viele von Euch sind in Gedanken mit auf dem Weg! Danke! So sind es inklusive der innerorts gelaufenen Strecken insgesamt 456,29 km geworden. Die Füße und die Knie haben mich problemlos getragen, zeitweise war ich ziemlich k.o., aber manchmal, besonders morgens, hätte ich ewig so weiter gehen können! Heute fahre ich von Aschaffenburg mit dem Zug nach Hause und freue mich auch darauf wieder sesshaft zu sein!

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